
Die Spaltung überwinden
Viele meiner Gespräche mit Bekannten und Freunden drehen sich zurzeit um Politik und die chaotische Situation in dieser Welt. Im Detail geht es dann oftmals eher darum, wie Bekannte, Kollegen und das weitere Umfeld die augenblickliche Situation wahrnehmen. Die von uns, die gelernt haben das Dauerfeuer der Propaganda, das Framing und Nudging zu durchschauen, stehen denen die das verordnete Denken adaptiert haben, oft hilflos gegenüber, oder aber man meidet Gespräche über bestimmte Themen. Genau das, was Spaltung bewirken soll. Beim Versuch die Spaltung zu überwinden, entsteht dann oft Frustration. Denn auch unser Gegenüber glaubt zu Wissen, wie die augenblicklichen Ereignisse zu beurteilen sind, wie wir selbst auch. Die Aussichten sind nicht so gut und vielen scheint die Situation, in der wir uns befinden nicht vollständig bewusst zu sein.
Oft beim Spazierengehen kommen mir einfach so Gedanken, die aufgeschrieben werden wollen. Dann ist es an der Zeit sich hinzusetzen und anzufangen die Gedanken fließen zu lassen. Und mit jedem weiteren Gedanken, der seinen Weg zum Papier findet, entstehen im Hintergrund neue Gedanken und so bildet sich ein Flow, der so in seinem Umfang nie zu erahnen war. So wie wir in einer gemeinsamen Konversation mehr sagen, als wir vorher annehmen oder erahnen würden, so findet auch hier ein Fluss von Informationen statt, dessen Umfang und Bedeutung im Voraus nicht gesehen werden kann.
Jeder lebt in seiner eigenen Welt
Ich gehe davon aus, dass jeder von uns in seiner eigenen Welt lebt, in seinem eigenen Erfahrungsraum, der gebildet wurde durch Familie, Erziehung, Schule, Gesellschaft im Allgemeinen und natürlich durch unsere Erfahrungen und die Glaubenssätze, die sich daraus entwickeln. Das, was wir glauben, wie diese Welt funktioniert, beeinflusst wesentlich, wie wir diese Welt erfahren. Bevor wir also anfangen anderen zu erzählen, wie die Welt aussieht, müssen wir uns erst einmal bewusstwerden, wie wir zu unserem eigenen Weltbild gekommen sind und das wir nur über dieses sprechen können.
Worüber reden wir
Eigentlich sollten sich Gespräche im Kern darum drehen, wie wir zu unserer Sicht auf diese Welt gekommen sind und wie uns diese bei unserem alltäglichen Leben unterstützt oder einschränkt. So können wir dann Ereignisse, Handlungen und Beziehungen neu bewerten und aktiv gestalten. Wenn das Ziel eines Austauschs ist, den anderen von meiner Welt zu überzeugen, wird dies nicht nachhaltig funktionieren, da er oder sie nicht dieselben Erfahrungen gemacht und das gleiche Wissen hat. Und selbst dann müsste ich mich fragen, was ich davon habe, dass jetzt da eine weitere Person ist, die mein Weltbild teilt. Ist es eine Vision, die ich habe, die für uns alle eine bessere Welt bereithält, oder nützt es mir persönlich, wenn jemand an meine Welt glaubt, so wie ich?
Warum möchte ich das, was mein Gegenüber denkt oder glaubt, ändern? Vielleicht weil ich wiederum zu wissen glaube, dass es der Person helfen könnte ein besseres Leben zu führen? Fühle ich mich vielleicht besser, wenn jemand anders das gleiche glaubt wie ich, und ich dadurch nicht allein bin? Sehe ich den Diskurs als ein Kräftemessen und freue mich, wenn ich gewonnen habe und der andere keine Argumente mehr hat?
Wenn ich lange genug darüber nachdenke, komme ich immer wieder auf den Punkt, dass es häufig darum geht das eigene Weltbild zu bestätigen. Das kann zu mehr Selbstsicherheit führen und das eigene Leben leichter machen, jedoch führt es kaum zu persönlichem Wachstum, noch dazu, dass wir uns gemeinsam entwickeln.
Ein Vision anbieten, Strömungen bewusst machen
Das, was wir brauchen, ist eine Vision, etwas, dass so noch nicht existiert und für das es lohnend ist unsere Kräfte einzusetzen. Und wenn diese Vision dann so attraktiv ist, dass sie ihre eigene Anziehungskraft entwickelt, braucht es nicht mehr viel Überzeugungskraft. Dann drehen sich unsere Gespräche darum, wie wir unser Ziel erreichen könnten oder was noch alles möglich wäre, um die Vision zu verfeinern. Denn wie am Anfang erwähnt, entsteht eine gewisse Dynamik, wenn wir anfangen uns in eine Richtung zu bewegen, ja sogar schon, wenn wir den ersten Schritt machen. Wir sprechen dann darüber, welche Strategien hilfreich sind, was nicht so gut funktioniert hat und wo wir noch ein wenig nachbessern müssen.
Wenn wir über diese Welt sprechen, ohne eine positive Vision anzubieten, entsteht kein Handlungsimpuls. Im Gegenteil, wenn der Ausblick auf diese Welt zu düster ist, macht sich schnell Frust und Resignation breit. Wenn niemand uns Optionen bietet einen Wandel zu vollziehen, verstärkt sich unsere Frustspirale immer mehr. Klagen wir also nur über die Dinge, die gerade nicht gut laufen und bestätigen wir uns immer wieder gegenseitig wie schlecht es gerade läuft oder wie hilflos wir gerade sind, tragen wir zur Frustration bei.
In dieser Situation tut es gut sich auf den Moment zu fokussieren und nach Ressourcen zu schauen die uns wieder aufbauen, seien es gute Freunde und anregende Gespräche, ein Spaziergang in der Natur und andere Möglichkeiten sich wohlzufühlen. Von hier aus können wir dann wieder einen konstruktiven Dialog starten. Auch tut es gut mit Dingen anzufangen, die wir ändern können. Das gibt uns wieder das Gefühl, dass wir etwas bewirken können. Es ist also weniger notwendig andere zu überzeugen, als mit denen in unserem Umfeld, die bereits überzeugt sind, an einer Gemeinschaft zu arbeiten, die so attraktiv ist, dass sich die Überzeugung anderer von selbst einstellt.
Auch kann es hilfreich sein, die Techniken und Methoden der Manipulation, die in der heutigen Zeit überall und ständig in den Medien zu finden sind, deutlich zu machen. Aufzuklären wie Propaganda funktioniert und auf parallelen in der Vergangenheit oder in anderen Staaten hinzuweisen. Niemand wird gerne manipuliert und schon gar nicht so, dass er oder sie es selbst nicht merkt. Dieses Bewusstsein kann dazu führen, dass sich unser gegenüber öffnet und gegebenenfalls für neue Impulse empfänglich wird.
Wie auch immer. Ich halte es für wichtig zu sagen was und wie ich denke. Damit stelle ich sicher, dass jeder der vielleicht in Zukunft die Dinge ähnlichsieht, wie viele andere von uns, weiß, mit wem er oder sie tiefer eintauchen kann in diese Welt. Und da die Welt mit Sicherheit chaotischer wird, denn das ist die Natur des Wandels, werden auch immer mehr Menschen dieses System hinterfragen. Und dieses Hinterfragen wird es sein, dass uns wieder zusammenbringt und neue Wege entwickeln lässt. Ich bin gespannt und freue mich darauf.
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